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Wider die Glühbirnennostalgie

Eduard Griebenbeil ärgert sich darüber, dass die EU die "gute alte Glühbirne" verboten hat. Das hat er mir letztens geschrieben. In einem zwei Seiten langen E-Mail (wie man bei E-Mails jetzt genau die Seitenanzahl misst, soll hier nicht von Belang sein) schildert er seine krankhafte Ehrfurcht vor der "guten alten Glühbirne", wie er immer wieder schreibt. Dass sich die Adjektive "gut" und "alt" in den Fragen der Technik grundsätzlich ausschließen - zumindest fiele mir im Moment kein Beispiel ein, in welchem sie es nicht täten - wird immer dann ignoriert, wenn sich der Mensch mit Veränderungen seiner konkreten Lebenswelt konfrontiert sieht. Dann kommt nämlich die Nostalgie ins Spiel. Eine Nostalgie, die besonders in Bezug auf die Technik oft sonderbare Züge anzunehmen beliebt.

Da ist oft die Rede von der "guten alten Videokassette", der "guten alten Langspielplatte" (richtige Nostalgiker würden niemals "LP" sagen, denn bei ehrlich gemeinter Wertschätzung des Mediums muss auch so viel Zeit sein, das schöne Wort "Langspielplatte" aussprechen zu dürfen) oder vom "guten alten Opel Kadett". Zugegebenermaßen ist die Nostalgie im Falle der Langspielplatte noch berechtigter als bei der VHS-Kasette (denn es kann nur die gemeint sein) oder dem stinkenden alten Auto. Doch wie wird hier argumentiert? "Der Sound ist so speziell", sagt man da, weil es vor und zwischen den einzelnen Titel kratzt und hie und da auch mal dazwischen. Auch bei der LP wirkt - ähnlich wie bei Büchern - zudem die olfaktorische Komponente: "Die riechen so gut". Man bemerkt schon die Tendenz: Qualitäten, die bei neueren Produkten als verachtenswert empfunden würden, wie etwa ein modriger Geruch oder eine gewisse Unreinheit des Klangs, tragen bei nostalgischer Betrachtung alten Krempels zu einer fiktiven Wertsteigerung bei.

Nun aber im Fall der Glühlampe? Riecht die auch so gut, die gute alte Glühlampe? Oder ist es das warme Licht, welches so viel "angenehmer" war, als das der neuen Energiesparlampen? Oder das Gefühl, die Hände um eine im Erkalten begriffene Lampe zu legen und die mystische Wärme der vormals durchgeflossenen Elektrizität zu spüren, was ja eine energetisch interessante Erfahrung sein kann? Oder ist es das hochfrequente Quietschen, das beim Eindrehen einer neuen Birne in die Fassung entsteht, kurz bevor die Lampe zum ersten Mal leuchtet? Nein, die Glühlampe hat nichts Vermissenswertes an sich, gut und alt ist sie nur, weil die meisten Leute, so auch Herr Griebenbeil, nix anderes kennen.

So vermischt sich hier vermeintliche Nostalgie, welche über das Begriffspaar "gut" und "alt" suggeriert werden möchte, mit tatsächlicher politischer Ignoranz, dem Ohnmächtigkeitsgefühl des kleinen Mannes, dem die böse, böse EU "von oben" alles vorschreibt und der befürchtet, demnächst könne sie ihm auch noch "das Scheißen vorschreiben". Ja, die Glühbirne ist alt, aber sie ist im modernen Sinn nicht gut, sondern eigentlich ziemlich schlecht, weil uneffiktiv und höchst unzeitgemäß. Und nein, sie ist überhaupt nicht dafür geeignet, ein Nostalgieobjekt abzugeben, denn dazu ist sie viel zu selbstverständlich in den Alltag eingebunden. Glühbirnen widmet man ja keine Zeit und oft nur wenig Interesse. Selten traf sich jemand mit Freunden und berichtete begeistert von der neuen 60 Watt Osram E10, die er sich gerade erst vor zwei Tagen gekauft hat, und die jetzt seine Nachttischlampe zum Leuchten bringt. Wir täten also besser daran, uns von der Glühbirne nüchterner zu verabschieden und sie nicht "gute alte" zu taufen, um sie damit in den unbarmherzigen Schlund unnötiger und die Seele belastender Nostalgie zu ziehen.
ledsgo - 4. Sep, 19:05

der kleine mann - ein klassiker der polit-topoi ;-)

Hrabanus - 5. Sep, 14:56

mich würde ja mal interessieren, ob auch die skandinavier, nord-holländer oder ander menschen, die für ihre größe bekannt sind, auch vom "kleinen mann" sprechen. davon dürfte es ja dort gar nicht so viele geben...
ledsgo - 10. Sep, 23:52

ist eine interessante frage, allerdings hat meine sehr umfangreiche recherche ergeben, dass mit dem "kleinen mann" nicht faktisch die physische größe des mannes, sondern eher sein einfluss auf die gesellschaft gemeint ist. insofern wäre es natürlich auch im sogenannten "hohen norden" - der somit wohl auch eher metaphorisch zu verstehen sein dürfte - denkbar, dass der terminus anwendung findet. wirklich wissen werden wir es wohl nie, oder erst, wenn der rems seine feldforschungen vor ort betreibt.

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