Weekly Top Artists: Gheorghiu's Last.fm Weekly Artists Chart

Weekly Top Tracks: Gheorghiu's Last.fm Weekly Tracks Chart

Menü

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Landmarken - das Altenmarkter Lagerhaus

Wenn man bei Altenmarkt im Pongau vorbeifährt, dann fällt einem sofort ein Gebäude auf, dessen solide Grazie sich auf die natürlichste Weise ins Landschaftsbild einfügt. Nicht so wie der Pongauer Dom zu St. Johannis, der ein bisschen protzig wirkt da auf seiner Anhöhe droben, wo er herrisch über den mickrigen Gemeindehäuseln thront - wie ein kleiner St. Stephan für ehemalige Bergbauerndörfer.
Nein, in Altenmarkt geht es feiner zu, da wird mit dem feinen Strich gearbeitet. Im Übrigen ist es keine Kirche, die sich da so ästhetisch hervortut, wie es in den meisten Gegenden der Fall ist. Man denke hier nur an St. Georgen im Pinzgau, wo ein liebes kleines weißes Kircherl eine gar malerische Anhöhe schmückt. Aber in Altenmarkt ist es auch keine Burg, kein Schloß oder eine Ruine, die einen daran erinnert, dass hier früher einmal wichtige Persönlichkeiten ansässig waren. Beispiele: Kaprun, Mittersill, Werfen und auch Rottenmann mit der Burg Strechau, deren strenger Name nicht darüber hinweg täuschen kann, dass es sich bei dieser Burg um die einzige Perle des Paltentals handelt, der sogenannten "Selbstmördergegend" um Trieben und Treglwang.

Zurück zu Altenmarkt und seiner architektonischen Perle. Es ist der Turm vom Lagerhaus, der sich nahe der eigentlichen Hauptstraße befindet; der Salzburger Straße nämlich, welche die wichtigste Straße in Altenmarkt ist, weil sie am Orstkern vorbei und nicht etwa hinein führt wie die irrtümlich so bezeichnete "Hauptstraße", die tatsächlich so heißt und geradewegs ins Verderben, nämlich nach Altenmark hinein, dafür aber auch näher am Lagerhaus vorbei führt. Egal, zu nahe will der geübte Lagerhaus-Connaisseur dem Objekt der Begierde auch gar nicht kommen. Wie man sich vor einem schönen Gemälde in einem zweckvollen Respektsabstand positioniert, so kann man auch erst die raffinierte Schönheit des Lagerhausturms vor der Kulisse der Altenmarkter Radstädter Tauern ganz begreifen, wenn man ihn von der Salzburger Straße aus betrachtet. Dass die Salzburger Straße dann geradewegs nach Radstadt führt, nach dem die Tauern in dieser Gegend benannt sind, ist vielleicht Zufall. Jedenfalls haben es die Altenmarkter nicht gern, wenn man von Radstadt spricht, von jener selbsternannten Sportstadt, deren Wahrzeichen mittlerweile nicht mehr die vollkommen durchschnittliche romanischgotische Elendskirche ist, sondern die Brücke, die über die Straße führt, auf der ein Willkommensgruß und eine Internetadresse sowie der Titel "Sportstadt" derart verwirrend einander den Rang um Geltung ablaufen, dass man nicht weiß, ob man sich in Radstadt, in Sportstadt oder auf einer Webseite befindet, wenn man unter der Brücke durchfährt. Für Radstadt gilt: Geradeaus geht's nach Kärnten, rechts geht's nach Graz und Wien.

Ja, der Lagerhausturm von Altenmarkt, er geht einem nicht mehr aus dem Sinn, hat man ihn einmal gesehen. Eine gelblich-braune Fassade und ein Abschluss aus Holz, dessen Form an einen Wachturm erinnert. Wir fragen uns, wer hier über wen wacht? Der Bauernbund über die Gemeinde? Das Lagerhaus über die im Haus gelagerten Sachen? Für den Vorbeifahrenden, das Lagerhaus aus sicherem Abstand bewundernden Kenner bedeutender Landmarken, hat die Wachturmästhetik zunächst etwas Beunruhigendes. Doch die relative Ödnis, von der das Altenmarkter Lagerhaus umgeben ist, lässt wissen: Hier gibt es nichts zu befürchten, nichts zu beobachten, ergo nichts zu überwachen. Vielmehr ist das Bauwerk Selbstzweck, es zieht die Blicke auf sich selbst, anstatt neugierigen oder überwachenden und strafenden Köpfen Ausblick zu sein.

So fährt man ein wenig wehmütig am Altenmarkters Lagerhausturm vorbei und malt sich aus, wie es denn dort an einem Samstag Vormittage zuginge, wenn um Punkt 12 von der Feuerwache herüber die Sirene ertönt und sich die jüngeren Altenmarkter gegenseitig angrinsen und feixen, dass das jetzt das Zeiche wäre, dass das Lagerhaus zusperre, während vor dem Lagerhausturm die Bauern noch die sogenannten "letzten Besorgungen" machen, ehe das Wochenende ihnen die Seele trübe macht. Sicher laden sie noch geschwind säckeweise Dünger auf die Anhänger ihrer Steyr-Traktoren (einige Pongauer Rednecks ließen sich vielleicht auch zu einem amerikanischen Fabrikat, einem grünen John Deere, überreden), haben noch Zeit für den einen oder anderen kühnen Spott über die Wirtschaft, die Frau oder eben auch das Gefährt des Kompagnons und verabreden sich schließlich, den Traktor anstartend und deswegen laut gegen die sprotzelnden Motorengeräusche anschreien müssend, zum Stammtisch.

Doch meist liegt das Lagerhaus still da, wie ein Mahnmal aus früheren Zeiten. Und der Turm steht einsam in der Landschaft, mehr zum Hohn als zum Gedächtnis. Böse Zungen behaupten, er ähnle jenem unsäglichen Türmlein, das aus der Mitte des Schlosses Trautenfels bei Pürgg im Ennstal wie ungefragt herausragt und dessen Optik tatsächlich an die "bösen Zeiten" erinnert, als Wachtürme noch von grimmigen Wärtern besetzt waren und ihre traurige Funktion zu erfüllen hatten. Doch mit diesem "KZ-Turm", der das Schloss Trautenfels so grausig entstellt, hat der Lagerhausturm in Altenmarkt nichts gemein. Er steht für die stumme Einfalt des ländlichen Lebens, für die Idylle einer kleinen Marktgemeinde, deren Ruhm, welchen ihr das Skigebiet Altenmarkt-Zauchensee eingetragen hat, einst gemischte Gefühle unter der Bevölkerung weckte. So gesehen ist das Lagerhaus samt Turm die letzte Bastion des ehrlichen Altenmarkters: Ort des Rückzugs und der Besinnung gleichermaßen und zudem ein Blickfang in der sonst eher langweiligen, autobahnzerfahrenen Landschaft. Gott schütze unser Lagerhaus und besonders das Lagerhaus in Altenmarkt!

Trackback URL:
https://rahmengedanken.twoday.net/stories/16585410/modTrackback

Aktuelle Beiträge

Neuer Blog
Ich bin umgezogen und entstelle das Internet nun unter...
Hrabanus - 28. Apr, 13:50
Landmarken - das Altenmarkter...
Wenn man bei Altenmarkt im Pongau vorbeifährt, dann...
Hrabanus - 26. Apr, 19:08
Zeitdiagnose eines gescheiterten...
Ein Jurymitglied mit Neinmüdigkeit setzt seine Gebeine...
Hrabanus - 7. Mär, 13:25
Im mittleren Alter, da...
Im mittleren Alter, da soll man nicht schreiben sondern...
ledsgo - 4. Mär, 13:08
Zwei Gedichte für einen...
für A.C.K. de viro Der gute Mann wird mit zunehmendem...
Hrabanus - 28. Feb, 10:27

Status

Online seit 6973 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 28. Apr, 13:50

Credits