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Schlafversuche

Woran es liegt, ist leider nicht zu sagen. Der Patient hat gestern nicht geschlafen. Er wälzte sich gegen halb ein Uhr das erste Mal im Bett umher. Etwa zehn MInuten später schien er den Kampf schon aufgegeben zu haben, jedenfalls schaltete der Patient um 00.42 wieder das Licht ein und widmete sich für die nächsten 32 Minuten der Lektüre von Dietrich Werners Erzählband "Bemühungen in der Luft und anderer Ungelegenheiten". Offenbar attestierte der Patient dem gewählten Werk besondere Relevanz für die eigene, momentane Situation, schien ihm die Schlaflosigkeit doch schon früh als tatsächliche Ungelgenheit dem verdienten Schlaf entgegenzustehen.
Um 01.05 wurde das Fenster geöffnet, der Patient verweilte während der Raumlüftung im Bett und schloss das Fenster wieder um 01.09. Doch auch im gut gelüfteten Raum schien dem Patienten kein Einschlafen möglich zu sein. Eine spontane Überprüfung seiner Werte offenbarte keine Auffälligkeiten: der Blutdruck etwas niedriger als normal, Ruhepuls von 62, lediglich die Gehirnaktivität verzeichnete ungewohnte Spitzen. Der Patient machte einen etwas aufgewühlten Eindruck, wagte aber um 01.17 den nächsten Versuch, Schlaf herbeizuführen. Doch auch die folgenden Minuten verbrachte der Patient mit Herumrollen im Bett, dem Zerwühlen der Bettwäsche. Die Unruhe steigerte sich, bis der Patient um 01.28 seinem Kopfkissen mehrere Schläge versetzte, ein lautes Knurren von sich gab und wieder das Licht anstellte. Jetzt hatten sich auch Pulsschlag und Blutdruck dramatisch erhöht.
Der Patient versuchte sich in der nächsten halben Stunde mit Surfen im Internet zu zerstreuen. Zu diesem Zwecke holte er sich den tragbaren Computer ins Bett. Bei wieder abgedunkeltem Raum brachte der Patient die Zeit bis 02.14 zu, legte den Computer wieder zurück und brachte sich selbst wieder in eine Position, die versprach, seinem Einschlafvorhaben zuträglich zu sein. Doch auch diesmal kein Erfolg.
Um 02.19 erhob sich der Patient abermals aus seinem Bett, besuchte das Klosett und fand seinen Weg in die Küche. Nun hatte er offenbar beschlossen, sich das Einschlafen mit der Zufuhr von Betäubungsmitteln leichter zu machen. Aus dem Kühlschrank holte er eine Flasche Bier und aus dem Kasten ein Glas. Damit kehrte er wieder in sein Zimmer zurück. Um sich während des Konsums die Zeit zu vertreiben, holte der Patient abermals den tragbaren Computer hervor und begann, Teile seiner Niederländisch-Hausübungen zu machen. Dies gab der Patient offiziell zu Protokoll, nachdem er vor Beginn des Einschlafversuchs angehalten wurde, besondere, ungewöhnliche geistige Aktivitäten oder Zerstreuungsmaßnahmen als solche zu deklarieren und seine Motivation dafür zu begründen. In diesem Falle gab der Patient an, dass er, wenn er schon nicht einschlafen könne, wenigstens die nächtliche Zeit für etwas nutzen wolle, das ihm sonst am Tag nur wenig Freude bereite.
So verbrachte der Patient die folgende Zeit mit Tippen, leisem vor sich hin murmeln, das nur von gelegentlichen tiefen Bierschlucken unterbrochen wurde. Um 03.08 erklärte der Patient der Versuchsleitung, dass er nun wichtige Teile seiner Hausaufgaben erledigt habe und diesbezügliche Aktivitäten nun einstelle. Auch das Bier hatte er mittlerweile leergetrunken. Der Patient wirkte in den folgenden Minuten etwas ratlos; es hatte den Anschein, als würde das Bier nicht die gewünschte Wirkung gehabt haben. Jedenfalls öffnete der Patient abermals das Fenster und lüftete den Raum für weitere 12 Minuten bis 03.20, währenddessen er offenbar dösend im Bett lag und sich nur wenig rührte. Es muss die Angst vor einer Verkühlung gewesen sein, die ihn aus dem Halbschlaf wieder zum Fenster trieb, um dieses zu schließen. Auch nach diesem Vorgang war an Schlaf noch nicht zu denken. Der Patient erging sich bis 03.34 in Grübeleien, worauf das konstante Tippsen seiner Fingerkuppen an die dem Bett benachbarte Wand schließen ließ.
Um 03.35 erhellte sich der Raum abermals und der Patient griff bestimmt und auch ein wenig verzweifelt zu Walter Kappachers Erzählband "Wer zuerst lacht". Die Lektüre in diesem Buch dauerte nur wenige Minuten und beschränkte sich, wie der Versuchsleitung nicht verborgen blieb, auf oberflächliches und vielleicht auch etwas gelangweiltes, jedenfalls aber ungeduldiges Durchblättern des Buches. So kam es dazu, dass der Patient um 03.41 den Kappacher-Erzählband gegen ein populärwissenschaftliches Werk über Evolutionspsychologie tauschte, worin er abermals nur lustlos blätterte. Die Lektüre schien dem Patienten nicht mehr die gewünschte Zerstreuung zu bieten. Vielleicht war aber auch die intellektuelle Anstrengung um diese Uhrzeit nicht mehr zu bewältigen. Nur so ist es zu erklären, dass der Patient um kurz vor vier Uhr früh das Medium wechselte und sich eine Folge der irischen Sitcom "Father Ted" ansah. Das Ansehen der Serie wurde vom Patienten mit gelegentlichem Grunzen, das zu früherer Stunde ein Lachen hätte sein können, begleitet. Der Patient schien sich zu diesem Zeitpunkt mit der Unmöglichkeit, in dieser Nacht noch zu ausreichendem Schlaf zu kommen, abgefunden zu haben. Das bestätigten auch seine um 04.32 kontrollierten Werte, die sich wieder im Normalbereich eingependelt hatten.
Auch, dass der Patient keinen weiteren ernsthaften Versuch mehr unternahm, einzuschlafen, legte eine solche Interpretation der Umstände nahe. Er verzichtete auf eine weitere Raumlüftung, kippte stattdessen nur das Fenster, um sich mit dem heller werdenden Himmel und dem ersten Vogelgezwitscher auf den beginnenden Tag einzustellen. Er schien, den Entschluss gefasst zu haben, aufstehen zu wollen, bemerkte aber wohl, dass es dafür noch zu früh war, denn er legte sich wieder in das zerwühlte Bett und sah sich bis 06.15 Uhr Satz Nummer 2 und 3 des Finales des Wimbledon Tennis Turniers 2008 an. Dabei erlebte er, wie Roger Federer den spannenden zweiten Satz unglücklich an Rafael Nadal abgab, den dritten aber dann im Tiebreak für sich entscheiden konnte, um dadurch dem Match wieder Dramatik und Spannung verlieh. Vielleicht war es die hypnotische Konstanz der Tennisballwechsel, vielleicht die Erschöpfung des Patienten, der nun schon ca. 19 Stunden von seinem Körper wachgehalten wurde, die ihn letztlich dazu veranlasste, um 06.22 den letzten und, wie festgestellt werden konnte, erfolgreichen Versuch zu unternehmen.
Der Patient schlief von 06.23 bis 11.08 Uhr, wonach er sich aus dem Bett zwang, um sich nicht am Abend mit ähnlichen Probleme konfrontiert zu sehen. Die Atmung war ruhig, der Puls niedrig, der Blutdruck normal. In dieser Nacht stand der satte Vollmond über der Stadt.

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