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Johann will eine Hermeneutik des Seins machen

„Mir“, sagt Johann, „mir passiert das nicht mehr. Ich mach jetzt eine Hermeneutik des Seins, weil irgendwann reicht es auch mal mit dem ganzen Zweifeln und Herumdenken, da wird man ja wahnsinnig!“ „Du machst was?“, frage ich, nur um sicherzugehen, dass ich es recht verstanden habe. „Eine Hermeneutik des Seins mach ich jetzt.“, sagt er genauso bestimmt wie gerade eben. Mir fällt dazu nicht viel ein, also sage ich bloß: „Das gibt’s doch schon, Johann. Hermeneutik des Seins. Was willst du damit?“ „Was, das gibt’s schon? Wieso gibt’s das schon? Was meinst du, was ich damit will? Mir die Dinge erklären, damit endlich mal Ruhe ist in der Kiste.“, sagt er. Ich verstehe nicht, was er meint: „Wie, meinst du jetzt, eine Hermeneutik des Seins wäre die Lösung für alle Probleme? Oder meinst du, wenn du sowas machen würdest, wenn man da überhaupt davon sprechen kann, dass man sowas einfach mal macht, glaubst du, da würdest du dann weniger nachdenken, oder wie?“ Johann wird ungeduldig: „Probleme, Probleme, hör mir doch auf! Als ob es im Leben nichts Interessanteres als Probleme gäbe...“ - „Die Zeitschriften sind voll davon“, unterbreche ich ihn. „Jaja“, sagt er, „jaja, ich weiß schon. Aber Probleme haben, das ist was für Idioten, die nicht nachdenken können oder wollen. Die machen es sich leicht, indem sie es sich extra schwer machen mit Problemen, für die sie scheinbar keine Lösung finden.“ „Ja, gut“, sage ich, „aber was willst du jetzt mit einer Hermeneutik des Seins anfangen? Ich meine, abgesehen davon, dass es sowas schon gibt.“ „Jetzt hör aber mal gut zu!“, sagt Johann jetzt, der mir immer aufgeregter vorkommt, „Ich weiß ja nicht, woher du das hast mit der Hermeneutik des Seins, die es angeblich schon geben soll. Aber es ist ja nicht so, dass eine Hermeneutik des Seins sowas wäre wie ein Rad oder ein Schraubenschlüssel oder eine Dampfmaschine. Du kannst nicht sagen, ich könne keine Hermeneutik des Seins machen, nur weil es das schon gäbe. Die möcht ich erstmal sehen, diese Hermeneutik des Seins, und dann wird sich ja weisen, was die taugt.“ „Jaja“, ich versuche, ihn zu beschwichtigen, „Versteh mich nicht falsch, aber ich hab nun mal keine Ahnung, was du mit dem Ding anfangen willst. Und da ich zufällig weiß, dass es schon etwas gibt auf dieser Welt, das den Namen 'Hermeneutik des Seins' trägt, und du sowas machen willst, hab ich mir gedacht, ich setze dich mal vorsichtig davon in Kenntnis, nicht dass du dann enttäuscht bist, wenn dir wer anderer sagt, dass es das schon gibt.“ „Du hast ja keine Ahnung! Hör dir doch mal selber zu! Du nennst mein Vorhaben ein 'Ding', das allein ist ja schon ein Witz. Du kennst dich ja überhaupt nicht aus! Und geben, sagt er! Als ob es sowas 'geben' könnte, wie es ein Ding gibt.“ Ich unterbreche ihn: „Naja, du sagst ja auch dauernd, dass du sowas 'machen' würdest. Das ist doch genauso bescheuert, zu sagen, man mache eine Hermeneutik des Seins.“ „Siehst du! Und genau deswegen braucht man sowas. Dann müsste ich jetzt nicht mehr darüber nachdenken, ob das eine Berechtigung hat, wenn du 'Ding' dazu sagst, was ich angebe, 'machen' zu wollen. Ich will über solche Dinge nicht mehr nachdenken müssen. Da verzweifel ich doch dran. Deswegen muss jetzt so eine Hermeneutik des Seins her, und zwar pronto!“ Ich merke, dass ich schon ein wenig an den Händen schwitze und sage einfach nur: „Ja gut, dann mach mal.“ Johann sieht mich verständnislos an und sagt: „Ja wie, mach mal!? Glaubst du, ich mach dir da jetzt den Kasper?“ „Wieso? Du hast gesagt, du willst eine Hermeneutik des Seins machen. Meinen Segen hast du. Also mach!“ „Du bist ein richtiger Trottel, weißt du das? Ich will hier was Ernstes auf die Beine stellen und du machst dich lustig drüber. Oder bist du gar eifersüchtig, dass dir das nicht eingefallen ist?“ „Eifersüchtig? Hallo? Ich bin eifersüchtig auf deine Hermeneutik des Seins? Auf etwas, was es eh schon gibt, was du aber im Sinn hast, neu zu machen, obwohl es aussieht, als wüsstest du ohnehin nicht, was du willst und wovon du sprichst? Auf diese lächerliche Unternehmung, auf diese Schnapsidee, auf diese Ausgeburt intellektueller Diarrhoe soll ich eifersüchtig sein? Das ist ja absurd!“ „Siehst du?“, sagt Johann, „Das ist der Grund, warum ich mit solchen Dummköpfen wie dir nicht mehr reden will. Wenn ich erstmal meine Hermeneutik des Seins gemacht habe, dann hat es sich damit auch.“ Ich öffne die Türe, stehe auf der ersten Stufe der Treppe in den Hof, es ist ein schöner Septembernachmittag im August, wie ich die ein wenig zu kalt geratenen Augustnachmittage gerne zu nennen pflege. Ich drehe mich um, Johann steht hinter mir in der Tür und schaut grimmig. Ich lächle und sage: „Lieber Johann, ich wünsch dir natürlich alles Gute mit deiner Hermeneutik des Seins. Es tut mir leid, wenn ich den Eindruck gemacht habe, dein Vorhaben lächerlich zu finden. Ganz im Gegenteil, ich finde das toll, dass du sowas machst.“ „Danke“, sagt Johann und macht die Tür zu.

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