Thomas Bernhard zu Besuch in Zell am See. Zweiter Teil: Konfrontation
Der Tourismus bringt den Menschen in der Schwemmkegelstadt und den Menschen auf den Hängen und im Graben naturgemäß Neid und Missgunst. Haben früher die Menschen auf dem Land, wie es heißt, zusammengehalten, sich zwar immer und gerne in kleineren Streitigkeiten ergangen, aber im Grunde doch zusammengehalten, werden sie, sobald der Tourismus Einzug hält, wie man sagt, auseinandergetrieben und sich verfeindet. Der Tourismus ist jene äußere Kraft, die eine ländliche Gemeinschaft auseinandertreibt, weil sie nicht, wie ein Krieg, über alle gleichen Tod und gleiches Verderben bringt, sondern weil sie, jedem mehr und mehr den Mund wässrig machend, dafür sorgt, dass die Menschen sie umgarnen; den Tourismus, die Touristen also, umgarnen sie, und jeder versucht, den Tourismus, den sogenannten Fremdenverkehr, zu sich zu leiten, und immer möglichst viel davon von den anderen wegzuleiten und zu sich hinzuleiten. Das stiftet naturgemäß Zwietracht und Neid; und der unbefriedigte Neid, die gesäte Zwietracht, aus der keine entsprechende Frucht wächst (eine Frucht wie etwa der Niedergang der anderen), daraus entwächst früher oder später jener Frust, jene existenzielle Frustration, die mit Alkohol weggeschwemmt und hinuntergespült wird, die aber früher oder später dazu führt, dass einem die Berge sprichwörtlich über den Kopf wachsen, dass man sich in ihren dunklen Wäldern für immer verirren möchte, oder im dunkelblauen sogenannten Bergsee untergehen will.
Für die Gäste, die sogenannten Fremden, für die es die Fremdenzimmer und Fremdenbetten gibt, und die immer Fremde bleiben werden, egal wie lange sie schon kommen, die die Bezeichnung 'Gast' nur scheinheiliger- und fälschlicherweise zugesprochen bekommen, sind die Menschen im Bergdorf nett und freundlich; gastfreundlich sozusagen. Für die Bewohner der Bergstadt wiederum sind die sogenannten Gäste aber nur lästige, immer schwierig zu bedienende, ihrem Lebensentwurf gänzlich entgegengesetzte, ja diesen zersetzende Menschen. Dabei ist es den Gastwirten und den sogenannten Hoteliers ganz gleich, woher die Fremden kommen. Es sind immer die Polen, die Italiener, die Deutschen, die Holländer, vor allem aber im Sommer die Araber, auch wenn sie nicht aus dem sogenannten Arabien kommen, sondern nur so aussehen, so fremd und deshalb verachtens- oder bemitleidenswert – je nachdem wie sich der Urteilende selbst sieht -, und immer mehr auch die Israelis, über die man ja nichts sagen dürfe, wie es heißt, denn sonst sei man gleich des Nationalsozialismus verdächtig. Überhaupt dürfe man ja über gar keine Fremden irgendwas sagen, man dürfe sich ja nicht beschweren, sagt man, denn immerhin ließen die Fremden ja Geld da. Und aus irgendeinem Grund sind es gerade die unangenehmsten Fremden, die Russen und die Araber, die das meiste Geld haben, und die, so heißt es, ja gute Gäste seien, weil sie gut konsumieren. Das ist was den Wirten und Hoteliers das Unerträglichste ist, dass die anscheinend netten Fremden kein Geld dalassen, und die dreckigen und unfreundlichen Fremden ihnen das Meiste abkaufen und einen „guten Umsatz“ bringen, wie es heißt. Das nagt an ihnen, und das stellt ihr niederträchtiges Konzept von Gastlichkeit auf den Kopf. Denn Gastlichkeit bedeutet, dass die netten Gäste schlecht aber vordergründig freundlich behandelt werden, und sich dafür gefälligst zu bedanken haben, indem sie selbst freundlich und zufrieden sind, viel Geld „dalassen“ und vielleicht auch noch großzügig Trinkgeld drauflegen. Dann sind die netten und freundlichen Gäste, die gern gesehenen, die man gerne als Stammgäste tituliert, auch noch gute Gäste. Ruhige Gäste, die nichts sagen, alles fressen, was man ihnen vorsetzt, alles tun, was man ihnen sagt, alles hinnehmen, was man ihnen bietet und nicht bietet, die also brav sind und ein freundliches Gesicht machen, wenn das Wetter gut oder schlecht ist, und die dann auch noch gerne und viel bezahlen, das sind die liebsten Gäste. Menschen also, auf die man herabsehen kann, während man ihnen gleichzeitig das falsche Gefühl vermittelt, etwas Besonderes zu sein, das sind die sogenannten Touristen, die man gerne da hat: jene, die sich gerne allen Unverschämtheiten und Infamien aussetzen, die ihnen von den Berggastwirten und Berghoteliers aufgebürdet werden. Und deshalb werden sie auch immer die Fremden sein, immer in Fremdenzimmern und in Fremdenbetten untergebracht sein, eine sogenannte Kurtaxe bezahlen, und dafür schlecht untergebracht und unwillig bedient werden.
Für die Gäste, die sogenannten Fremden, für die es die Fremdenzimmer und Fremdenbetten gibt, und die immer Fremde bleiben werden, egal wie lange sie schon kommen, die die Bezeichnung 'Gast' nur scheinheiliger- und fälschlicherweise zugesprochen bekommen, sind die Menschen im Bergdorf nett und freundlich; gastfreundlich sozusagen. Für die Bewohner der Bergstadt wiederum sind die sogenannten Gäste aber nur lästige, immer schwierig zu bedienende, ihrem Lebensentwurf gänzlich entgegengesetzte, ja diesen zersetzende Menschen. Dabei ist es den Gastwirten und den sogenannten Hoteliers ganz gleich, woher die Fremden kommen. Es sind immer die Polen, die Italiener, die Deutschen, die Holländer, vor allem aber im Sommer die Araber, auch wenn sie nicht aus dem sogenannten Arabien kommen, sondern nur so aussehen, so fremd und deshalb verachtens- oder bemitleidenswert – je nachdem wie sich der Urteilende selbst sieht -, und immer mehr auch die Israelis, über die man ja nichts sagen dürfe, wie es heißt, denn sonst sei man gleich des Nationalsozialismus verdächtig. Überhaupt dürfe man ja über gar keine Fremden irgendwas sagen, man dürfe sich ja nicht beschweren, sagt man, denn immerhin ließen die Fremden ja Geld da. Und aus irgendeinem Grund sind es gerade die unangenehmsten Fremden, die Russen und die Araber, die das meiste Geld haben, und die, so heißt es, ja gute Gäste seien, weil sie gut konsumieren. Das ist was den Wirten und Hoteliers das Unerträglichste ist, dass die anscheinend netten Fremden kein Geld dalassen, und die dreckigen und unfreundlichen Fremden ihnen das Meiste abkaufen und einen „guten Umsatz“ bringen, wie es heißt. Das nagt an ihnen, und das stellt ihr niederträchtiges Konzept von Gastlichkeit auf den Kopf. Denn Gastlichkeit bedeutet, dass die netten Gäste schlecht aber vordergründig freundlich behandelt werden, und sich dafür gefälligst zu bedanken haben, indem sie selbst freundlich und zufrieden sind, viel Geld „dalassen“ und vielleicht auch noch großzügig Trinkgeld drauflegen. Dann sind die netten und freundlichen Gäste, die gern gesehenen, die man gerne als Stammgäste tituliert, auch noch gute Gäste. Ruhige Gäste, die nichts sagen, alles fressen, was man ihnen vorsetzt, alles tun, was man ihnen sagt, alles hinnehmen, was man ihnen bietet und nicht bietet, die also brav sind und ein freundliches Gesicht machen, wenn das Wetter gut oder schlecht ist, und die dann auch noch gerne und viel bezahlen, das sind die liebsten Gäste. Menschen also, auf die man herabsehen kann, während man ihnen gleichzeitig das falsche Gefühl vermittelt, etwas Besonderes zu sein, das sind die sogenannten Touristen, die man gerne da hat: jene, die sich gerne allen Unverschämtheiten und Infamien aussetzen, die ihnen von den Berggastwirten und Berghoteliers aufgebürdet werden. Und deshalb werden sie auch immer die Fremden sein, immer in Fremdenzimmern und in Fremdenbetten untergebracht sein, eine sogenannte Kurtaxe bezahlen, und dafür schlecht untergebracht und unwillig bedient werden.
Hrabanus - 21. Feb, 11:05
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